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Abschied von den PKA

Mit Beginn des Schuljahres 2017/18 ging an der Ludwig-Erhard-Schule eine Ära zu Ende: erstmals konnte keine neue Klasse mit Auszubildenden zur Pharmazeutisch-Kaufmännischen Angestellten (PKA) gebildet werden, langjährige Ungewissheit fand damit ein Ende. Die verbliebenen Auszubildenden im zweiten und dritten Ausbildungsjahr werden ihre Ausbildung an der Ludwig-Erhard-Schule abschließen, dann wird der Bildungsgang vollständig aufgelöst – nach über vierzig Jahren. Zeit, zurück zu blicken.

Wandel eines Berufsbildes

In Apotheken wurden bereits Anfang der 1960er Jahre Lochkärtchen zur Bestellung und Lagerpflege eingeführt, weit vor anderen Branchen. In der Folgezeit wurde die Vorreiterrolle jedoch nicht gehalten; aus Sorge vor Datenreichtum verzichteten Pharmaindustrie und Apotheken auf die Segnungen von Strichcodes auf Packungen. 1993 wurde unter Gesundheitsminister Horst Seehofer von Staats wegen verfügt, dass Arzneimittelpackungen und in der Apotheke vorgenommene Rezept­aufdrucke maschinenlesbar zu sein hatten. Damit kam der Strichcode und ein gewaltiger Digitalisierungsschub in den Apotheken, verbunden mit einem gründlicher Wandel im Berufsbild der »Apothekenhelferin«, die dann konsequenterweise eine intensivierte Ausbildung mit kaufmännischem Schwerpunkt und dem neuen Namen Pharmazeutisch-Kaufmännische Angestellte (PKA) erhielt. 

Anfang der 2000er Jahre erfolgte der nächste große Angriff auf das Biotop »Apotheke«: Der Versandhandel mit Arzneimitteln wurde erlaubt und die bisher einheitlichen Preise für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel wurden frei gegeben. Diese Maßnahmen setzten die Apotheken unter erheblichen Zwang, wirtschaftlicher als bisher zu arbeiten, einige kleine Apotheken stellten daraufhin den Betrieb ein. In der Folge wurden auch kleine Apothekenketten erlaubt. Das führte zu weiteren Rationalisierungsmaßnahmen, auch zur Zentralisierung von Einkaufsabteilungen für mehrere Betriebe.

Durch diese Entwicklung ging der Bedarf an PKA deutlich zurück, gleichzeitig veränderten sich aber auch die Anforderungen an den Beruf. Anstatt Einkaufsstatistiken auf der Rückseite von Lochkärtchen zu pflegen, geht es jetzt um die Bedienung komplexer Computersysteme, das Durchschauen ebenso komplexer Einkaufskonditionen und ein Gespür für Marketing und geschickte Preisgestaltung. Eigentlich ist die PKA dank ihrer kaufmännischen Ausbildung perfekt in der Lage, für günstige Einkaufskonditionen zu sorgen und die Wirtschaftlichkeitsreserven des Lagers anzugehen – selbst in einer kleinen Apotheke hat das Lager einen Wert von knapp 100 000 Euro – viele Apotheken zogen es jedoch vor, die Rendite zu erhöhen, indem am Personal gespart wurde. Das so gesparte Geld kann dann durchaus in Form von intransparenten Einkaufskonditionen oder unnötig hohen Lagerkosten versickern.

Werfen wir einen Blick in eine Apotheke, die technisch auf dem aktuellen Stand ist: Ein Großteil des Lagerbestandes wird in einem Kommissionierautomaten aufbewahrt, der die Packungen auch direkt am Bedienplatz abliefert. Die Regale hinter dem Ladentisch sind durch große Flachbildschirme ersetzt, dadurch verringert sich nicht nur die Lagerpflege, sondern auch die Kapitalbindung. Der Abverkauf eines Produktes an der Kasse löst eine Bedarfsermittlung und gegebenenfalls Bestellung aus. Beim Wareneingang werden die Packungen eingescannt, der Computer gleicht dabei Bestellung und Wareneingang ab und weist auf Besonderheiten des Artikels hin. Ist Ware für Kunden vorbestellt, wird eine Lieferroute für den Botendienst automatisch geplant oder eine SMS an den Kunden verschickt.

Der nächste Rationalisierungsschub ist im übrigen schon absehbar: Ab 2019 werden als Nebeneffekt der Umsetzung einer EU-Richtlinie zum Schutz vor Arzneimittelfälschungen die Verfalldaten der meisten verschreibungspflichtigen Arzneimittel maschinenlesbar werden, damit können auch Produkte mit strikter Verfallkontrolle beim Wareneingang einfach auf ein Förderband zum Lagerautomaten gekippt werden.
In der Politik steht das Geschäftsmodell »Apotheke« insgesamt auf dem Prüfstand: Es wird intensiv über  andere Möglichkeiten, die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicher zu stellen, nachgedacht. Die apothekerliche Standesführung hält das bestehende Modell jedoch für die optimale und daher wohl auch einzig denkbare Lösung. Verschiebungen der apothekerlichen Tätigkeit, die in anderen Ländern mit Erfolg betrieben werden, steht man mit Scheu bis Ablehnung gegenüber. Die Ausbildungsstatistiken der Landesapothekerkammer zeigen, dass größere Einbrüche bei den Ausbildungszahlen immer in unmittelbarem Zusammenhang mit Gesundheitsreformen auftreten, alleine die derzeitige unsichere politische Lage wird wieder einen größeren Einschnitt hervorrufen. 

Die Frage, wer die Arbeit der PKA macht, wenn es keine PKA mehr gibt, wird in vielen Apotheken beantwortet, indem diese Tätigkeiten nebenher von anderem Personal übernommen werden. Oftmals muss hierfür die Pharmazeutisch-Technische Assistentin (PTA) herhalten, die eigentlich für Arzneimittelherstellung, Labortätigkeiten und Rezeptbelieferung qualifiziert ist. Dies kommt der Effizienz der Warenwirtschaft nicht zu Gute. Dazu kommt, dass PTA ein ausgesprochener Mangelberuf ist. Eine einfache Möglichkeit, dem Mangel zumindest teilweise abzuhelfen, bestünde darin, PTA nicht für fachfremde Tätigkeiten einzusetzen. Einige berufliche Schulen in Baden-Württemberg haben ihre PKA-Abteilung zugunsten von Fachschulen für PTA geschlossen; für Apotheken ist das eine gute Nachricht, nicht jedoch für Hauptschülerinnen oder für Realschülerinnen, die keine ausgeprägte naturwissenschaftliche Neigung und Begabung haben.

Entwicklung der Ausbildungsverhältnisse

Die eben beschriebene Entwicklung führte letztlich dazu, dass von ehemals zwei Parallelklassen, also über 50 Apothekenhelferinnen pro Jahrgang Mitte der 1980er Jahre, im Sommer 2017 gerade noch acht Einsteigerinnen übrig waren – und das bei einem seither mehr als verdoppelten Einzugsgebiet. Eine Zeitlang sah es aus, als könne die Ludwig-Erhard-Schule dem Abwärtstrend wirksam entgegen treten. Neben dem noch unter dem damaligen Direktor Rolf Becker vergrößerten Einzugsgebiet und einer Erweiterung der schulischen Ausbildung um Module, die den Lehrplan an die aktuelle Entwicklung anpassten und damit große Teile des Lernfeld-Lehrplanes vorwegnahmen, ist insbesondere die einige Jahre von Christine Feuchtinger betriebene Ausbildungsbörse erwähnenswert. Gezielt brachte sie Apotheken und Schülerinnen zusammen, beriet im Hinblick auf Fördermöglichkeiten und sorgte dafür, dass angefangene Ausbildungen auch erfolgreich beendet wurden.

Alleine in Pforzheim gibt es 28 Apotheken, im gesamten Schulbezirk um die 120. Einige dieser Apotheken werden jetzt keine Gelegenheit mehr haben, PKA auszubilden, da es zum Beispiel Azubis aus den Schwarzwaldtälern kaum zumutbar ist, eine Berufsschule in Stuttgart oder Karlsruhe aufzusuchen. Interessant ist es, einen Blick auf die Struktur der Betriebe zu werfen; letztlich bildet immer derselbe Kreis von Apotheken überhaupt aus; darunter sind nicht nur große Apotheken, sondern oftmals auch eher kleine Betriebe. Einige Apothekenleiter öffneten ihre Ausbildungsplätze auch gezielt für Bewerberinnen, die Schwierigkeiten hatten, einen Ausbildungsplatz zu finden. So wiesen die PKA-Klassen der letzten Jahre immer einen erhöhten Anteil an Migrantinnen auf, auch der Anteil der Hauptschulabsolventinnen war deutlich höher als in anderen Ausbildungsgängen.
Im Einzugsgebiet der Ludwig-Erhard-Schule gibt es mehrere große Apothekenverbünde mit vermutlich mehrstelligem Millionenumsatz, die nicht ausbilden – nach Meinung des Autoren ein Auswuchs des Neoliberalismus verbunden mit planerischer Kurzsichtigkeit. Dabei wankt letztlich auch die Maxime des Grundgesetzes (Artikel 14(2)), dass Eigentum auch der Allgemeinheit dienen solle.

Pforzheim steht bei dieser Entwicklung im übrigen nicht alleine da, es handelt sich um einen bundesweiten Trend. In Baden-Württemberg sind von ehemals 17 Berufsschulstandorten für PKA zur Zeit acht übrig, es wird gemutmaßt, dass es in wenigen Jahren nur noch vier sein werden. Einige Standorte konnten nur erhalten werden, indem Schülerinnen mehrerer Jahre gemeinsam unterrichtet werden. In Ländern wie Thüringen werden gar keine PKA mehr ausgebildet. Im Landesapothekerverband spricht man achselzuckend von einem aussterbenden Beruf.

Für viele Auszubildende war der Arbeitsplatz Apotheke nicht der absolute Traumjob, manchmal eher eine Ausweichlösung. Dennoch bot die Ausbildung jedes Jahr jungen Leuten die Chance, ins Berufsleben einzusteigen und fast jede Auszubildende hatte nach Abschluss ihrer Ausbildung eine feste Arbeitsstelle. 

In diesem Artikel werden konsequent weibliche Berufsbezeichnungen verwendet, da der Männer-Anteil in der Apotheke generell gering ist. Dieser Artikel erschien im Jahrbuch 2017/18 der Ludwig-Erhard-Schule und stellt einen Meinungsbeitrag des Autoren dar. Er ist kein offizielles Statement der Ludwig-Erhard-Schule.