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IT-Projekte mit Tinkercad im Berufskolleg Wirtschaftsinformatik

Michael Edelmann

In der Schulart Berufskolleg Wirtschaftsinformatik wird für die Fächer Wirtschaftsinformatik und Informationstechnologie lehrplanmäßig ein IT-Projekt aus Themengebieten wie Arduino, Raspberry Pi, Linux oder der Netzwerktechnik erarbeitet. Die Projekte wurden bisher in Partner- oder Gruppenarbeit durchgeführt. Jede Gruppe von Schülerninnen und Schülern wird dabei mit einem Baukasten (Arduino oder Raspi) ausgestattet. Projekte im Bereich Linux oder Netzwerktechnik können mit schuleigener Hardware durchgeführt werden. Ein Arduino ist eine freie Mikrocontroller-Plattform mit analogen und digitalen Ein- und Ausgängen, um Projekte aus dem Umfeld der Steuer- und Regelungstechnik abzuwickeln.

Das Fach IT an einer kaufmännischen Schule zu unterrichten ist eine besondere Herausforderung, da es im Gegensatz zu gewerblichen Schulen keine begleitenden Fächer wie Elektrotechnik oder technische Informatik gibt. Die Praxis zeigt aber, dass die Schülerinnen und Schüler mit hohem Einsatz und Spaß bei der Sache sind und die fehlenden Grundlagen mit Fleiß und Pragmatismus ausgleichen können.

Aufgrund der durch die Covid-19 Pandemie induzierten Einschränkungen des Schulbetriebs war die Durchführung der IT-Projekte in der herkömmlichen Form leider nicht möglich. Da wir aber nicht auf die Erfahrungen, die Schülerinnen und Schüler bei der Durchführung eines eigenen IT-Projektes gewinnen, verzichten wollten, haben wir uns auf die Suche nach möglichen Alternativen begeben.

Bei unseren Recherchen sind wir auf das Angebot von Tinkercad gestoßen. Tinkercad ist ein kostenloses Webangebot des Unternehmens Autodesk. Unter anderem bietet Tinkercad eine Entwicklungsumgebung zur Erstellung von virtuellen Schaltkreisen auf der Basis eines Arduinos. Es ist sogar möglich, eigene Programme für den Arduino zu entwickeln, die innerhalb des Dienstes ablaufen und getestet werden können.

Tinkercad bietet Lehrkräften die Möglichkeit, Klassen zu verwalten. Die Lehrkräfte legen Klassen an, in die dann einzelne Schülerinnen und Schüler eingeladen werden. So ist es möglich jederzeit den jeweiligen Lernfortschritt zu beobachten und die Schülerinnen und Schülern bei ihren Projekten zu unterstützen. Da die Schülerinnen keine E-Mail-Adresse und keinen Klarnamen angeben müssen, bleibt der Datenschutz gewährleistet.

Die technische Infrastruktur unserer Schule ermöglicht es uns, mit den jungen Menschen per Videokonferenz, Chat und E-Mail zu kommunizieren. So können wir auch in den Phasen des Wechselunterrichts beide Gruppen, also vor Ort und online, betreuen. Zum Austausch von Dateien nutzen wir unsere LES Cloud. Einige Schülerinnen und Schüler konnten wir im Lockdown mit Notebooks und iPads zur Ausleihe für den Fernlernunterricht unterstützen.

Die Laufzeit des Projektes haben wir mit drei Monaten veranschlagt. Zu Beginn des Projektes haben sich die Schüler*innen über mehrere Unterrichtseinheiten hinweg mit folgenden Themen beschäftigt:

  • Grundlagen des Entwicklungssystems Arduino (Aufbau, Funktion)
  • Elektrotechnische Grundlagen
  • Anmeldung an Tinkercad und Nutzung der Entwicklungsumgebung
  • Aufbau kleinerer Projekte unter Anleitung der Lehrkräfte
  • Parallel dazu wurden Themen für eigene Projekte recherchiert

Nachfolgend eine Auswahl der Projektthemen:

  • LED Matrix
  • LED Würfel
  • Sicherheitssystem (Alarmanlage)
  • Geräusche mit LED visualisieren
  • Smart Home – automatisches Licht, Garagenöffner und mehr
  • LED Sanduhr
  • Automatisches Raumbeleuchtungssystem
  • Teezubereitung (Temperatur, Teesorten, Zeitsteuerung, ...)
  • Radarfalle
  • Taschenrechner
  • Reaktionsspiel im Sinne von Senso Simon
  • Parksensor
  • Zielscheibenschießen mit einem Laserpointer

Zur Vertiefung des Wissens über den Aufbau und die Funktionsweise des Arduinos und insbesondere von Tinkercad wurde den Schülerinnen und Schülern umfangreiches Unterrichtsmaterial bereitgestellt. Natürlich nutzten sie auch die Ressourcen des Internets als Quelle für eigene Projekte. Daher wurde bei der Präsentation auch besonders darauf geachtet, inwieweit die Projektdetails verstanden wurden und ob es sich um eigene geistige Arbeit handelte.

Die Projekte wurden in einer Abschlusspräsentation an der Schule vorgestellt und bewertet. Aufgrund der besonderen Situation wurden die Prüflinge einzeln einbestellt. Die Präsentation hätte auch per Videokonferenz durchgeführt werden können, allerdings haben einige Schüler größere Projektaufbauten in Hardware durchgeführt, die so von den Lehrkräften nur schlecht hätten beurteilt werden können.

Einige Projektergebnisse waren durchaus beeindruckend, da die meisten Schülerinnen und Schüler ohne fachliche Vorkenntnisse in dieses Projekt gestartet sind. Beispiel: Ein Schüler hat eine Blitzampel mit einer Teststrecke aufgebaut. Da kein passendes Auto verfügbar war, hat er auch dieses erstellt. Über eine Lichtschrankenmessung wurde die Geschwindigkeit ermittelt und deren Auslösung durch eine LED simuliert. Weiterhin wurde das unter Nerds bekannte Internet Meme Bad Apple Video auf einer LED Matrix des Arduinos abgespielt. Programmiertechnisch sehr interessant und anspruchsvoll war die Entwicklung eines Taschenrechners komplett in der Entwicklungsumgebung von Tinkercad. Dieser Schüler hatte sich sehr gut eingelesen und die umgekehrte polnische Notation zur Darstellung von Termen implementiert.

Der durch die Pandemiezeit bedingte Einsatz von Tinkercad hat uns gezeigt, dass selbst komplexere Projekte durchaus nur virtuell geplant und entwickelt werden können. Tinkercad ist ein hervorragendes Werkzeug für das Prototyping von Projekten auf Arduino Basis. Unsere Erwartungen wurden deutlich übertroffen, so dass wir Tinkercad auch im normalen Schulbetrieb weiter einsetzen werden.

Dieser Artikel erschien im Jahrbuch 2021/22 der Ludwig-Erhard-Schule.